Noch im vergangenen Dezember lautete die Überschrift der Pressemitteilung „Eigentlich….“. Jetzt können wir beginnen mit „Jawoll, endlich!!!“:
Das Ratsgymnasium Rotenburg hat als Europaschule nun tatsächlich außerhalb des virtuellen Kontaktraums den ersten Schritt mit der Partnerschule aus Lissabon unternehmen können – mit einem Jahr Verspätung aufgrund der pandemischen Situation: Die Europakoordinatorin Susanne Rohde, Initiatorin dieses Projektes, nahm freudig ihre drei Kolleginnen aus Lissabon in Empfang. Gemeinsam mit Schulleiterin Iris Rehder und Englischlehrer Alexander Vardakis wurden im persönlichen Kontakt unter Einhaltung der Corona-Auflagen vor Ort konkrete Schritte abgesprochen.
In Zusammenarbeit mit der Bildnerischen Werkstatt der Rotenburger Werke als externem Partner werden unter dem Projekttitel „Inklusion und Integration – Bereicherung durch Vielfalt“ im Mai deutsche und portugiesische Jugendliche gemeinsam mit Menschen mit Behinderung an einem Kunstprojekt arbeiten, das den sozialen und interkulturellen Austausch fördert. Der Gegenbesuch wird im Oktober erfolgen, wo Projekte mit Jugendlichen afrikanischer Herkunft den Schwerpunkt bilden.
Die Leitung der Bildnerischen Werkstatt erwartet ebenfalls mit großer Vorfreude diese Kooperation und stellt in Aussicht, dass über Kontakte zum Rotenburger Kunstverein dieses Projekt auch außerhalb des Schulrahmens Beachtung finden wird. Martin Vosswinkel und Ragnar Müller freuten sich, die deutschen und portugiesischen Lehrkräfte durch eine aktuelle Ausstellung der Werke in der Kulturambulanz in Bremen zu führen („Dr. Schmidt“ / Andrae Hoff), um zu zeigen, dass die Arbeiten von Menschen mit Behinderung zu recht auch außerhalb der Werke Beachtung verdienen. Das angestrebte Projekt verspricht ein Gewinn für alle Beteiligten zu werden – und für Rotenburg.
Drei Schulen wurden am 2. November im ehemaligen Straflager X B Sandbostel für das besondere Engagement der Schülerschaft für eine lebendige Erinnerungskultur geehrt.
Sechs informative Pulttafeln und eine große Übersichtstafel hatten Schülerinnen und Schüler des Ratsgymnasiums für das Gelände entworfen und gestaltet, nun wurden sie besonders für deren Erstellung gewürdigt. Auf den Tafeln werden die Gräberfelder, ihre geschichtlichen Hintergründe sowie jeweilige Besonderheiten detailliert dargestellt und erklärt. Die gesamte Schülerschaft des Ratsgymnasiums beteiligte sich außerdem an der Finanzierung einer weiteren Informationstafel, die an die im Lager inhaftierten und ermordeten russischen Kriegsgefangene erinnert.
Im Rahmen eines kleinen Festaktes, musikalisch begleitet von Schülerinnen und Schülern des Ratsgymnasiums Rotenburg, brachten Peter Radzio, Bürgermeister von Sandbostel, der neu gewählte Landrat des Landkreises Rotenburg, Marco Prietz, sowie verschiedene Vertreter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ihre Anerkennung für den gezeigten Einsatz zum Ausdruck.
Einen ganz persönlichen Dank formulierte die 88jährige Ruth Gröne, deren Vater als KZ-Häftling in Sandbostel ermordet wurde. Eine der neuen Gedenktafeln informiert über ihn als repräsentatives Einzelschicksal. Mit der Formulierung „Häftlinge haben Nummern, Menschen haben Namen“ regte sie alle Anwesenden zum Nachdenken an. Als kleinen Dank überreichte sie den Schülerinnen und Schülern des Ratsgymnasiums ein Buch ihrer Lebenserinnerungen mit einer ganz persönlichen Widmung für die Schulbibliothek.
Nach der pandemiebedingten Zwangspause können in diesem Schuljahr die 10. Klassen des Ratsgymnasiums endlich wieder auf die Friedensfahrt nach Lommel aufbrechen. Lesen Sie hier den Erfahrungsbericht von Amelie und Mia aus der Klasse 10P1, die in Begleitung von Klassenlehrer Jürgen Fitschen und Koordinatorin Dana Stäblein-Fischer als zweite Lerngruppe in diesem Schuljahr den Weg nach Belgien antreten konnten:
„Eine Woche waren wir, die 10P1 mit Frau Stäblein-Fischer und Herrn Fitschen, in Lommel. Wir haben viele neue Erfahrungen gesammelt – viel aus der Zeit mitgenommen; interessante und neue Eindrücke gewonnen. Es gab Zeit zum Nachdenken und Zuhören, aber auch Zeit, um sich mit der Klasse zu entspannen, loszulassen und Spaß zu haben.
Montags ging unsere Reise los. Wir kannten alle schon die Programmpunkte, hatten Bilder von den vorherigen Fahrten gesehen, aber waren teilweise trotzdem etwas aufgeregt. Schon die Busfahrt war lustig und die Stimmung war befreit. Nach 6 Stunden kamen wir dann an. Die Zimmervergabe verlief reibungslos; wir erhielten den Schlüssel und konnten auspacken. Als wir wieder runter gingen, machten einige einen kleinen Gang, um sich den Garten und das Gebäude näher anzuschauen und sahen von dort aus erstmalig den Friedhof. Er lag direkt neben unserer Jugendherberge. Der Anblick erschreckte einen für den Moment. So viele Kreuze standen dort, dass man die Zahl nicht mit dem Augen erfassen konnte. Es war einschüchternd und schwer begreiflich. Langsam lösten wir den Blick und gingen weiter.
Als wir mit unserer kleinen Tour fertig waren, machte jeder das, wozu er Lust hatte – Tischkicker spielen, einen Spaziergang, Volleyball spielen, Wikinger Schach oder was einem sonst noch einfiel. Dann gab es Abendbrot (das auch alle bis auf Herrn Fitschen, ganz in Ordnung fanden) und wer Lust hatte, konnte im Anschluss an einem Tisch draußen gemeinsam Gesellschaftsspiele spielen. Damit fand der Tag ein Ende und wir gingen alle auf unsere Zimmer.
Der Dienstag brach an. Es begann mit dem Frühstück und dem täglichen Corona-Test. Im Anschluss bekamen wir die Führung über den Friedhof. Wir sahen die Gedenkstätte, die Krypta und die Gräber. Uns wurde erzählt, dass 39,111 gefallene Soldaten dort ihre letzte Ruhe fanden. Jedes Kreuz trug zwei Namen, manche immer noch unbekannt. An einzelnen Steinen blieben wir stehen und bekamen das Schicksal der Menschen geschildert – Briefe wurden vorgelesen und von den Angehörigen wurde erzählt. Einigen ging das sehr nahe – es wurde einem greifbar geschildert und doch wirkte es so unvorstellbar. Zu jedem Stein gehörten zwei Menschen, die ein grausames Schicksal erlitten. Die Gedanken blieben, auch als die Führung beendet war und wir uns der Grabpflege widmeten und sich die Stimmung wieder mehr lockerte.
Am Nachmittag machten wir noch einen Workshop mit vier Stationen alle zum Thema „Menschenrechte“. Diese haben sehr viel Spaß gemacht – es wurde gelacht, aber trotzdem zum Nachdenken angeregt. Dann ging es zum Blauwemeer, einem See in der Nähe, zu dem wir gemeinsam liefen. Dort konnten wir auf den Spielplatz, schaukeln und da wir sehr schönes Wetter hatten, sogar baden, bis es wieder zur Jugendherberge ging. Der Tag neigte sich langsam dem Ende – es gab wieder Abendbrot und wir verbrachten die restliche Zeit, bevor wir ins Bett mussten, gemeinsam mit Spielen.
Nun brach schon der Mittwoch an – die Hälfte unserer Zeit in Lommel war schon fast vorüber. Diesmal standen wir früher auf und der Tag begann wieder mit einem Corona Test und dem Frühstücken. Wir hatten 2 Stunden Busfahrt vor uns, um nach Breendonk zu gelangen. Dort machten wir eine Führung durch ein ehemaliges KZ, das damals verharmlosend als Auffanglager galt. Während wir über die Anlage liefen und nähere Informationen zu dem Gebäude, den damaligen Zuständen und den dort gefangen gehaltenen Menschen erhielten, war die Stimmung dementsprechend bedrückend.
Es ist lehrreich gewesen, aber trotzdem war es wohltuend, als wir weiter fuhren nach Antwerpen, um in der Stadt zu flanieren und die Gedanken sacken zu lassen. Wir teilten uns in kleinere Gruppen auf und gestalteten die Zeit so, wie wir gerne mochten. Dann traten wir den Weg zurück in die Jugendherberge an, wo wir dann zu Abend aßen und der Tag wieder zu Ende ging.
Der letzte vollständige Tag begann. Wir starteten nach dem Frühstück mit einem Workshop, bei dem wir in Gruppen mit Bambusstäben einen möglichst hohen Turm bauen mussten. Dabei ging es bei einigen zum Ende hin ziemlich holprig zu, aber wir konnten nur über unsere eigenen Unglücke lachen. Im Anschluss kam ein Zeitzeuge. Er hat uns seine eigene Geschichte erzählt und damit für uns Nähe zu den Themen geschaffen. Er war als Mensch sehr inspirierend. Wir haben jedem Wort aufmerksam gefolgt.
Danach hatten wir Zeit um über das ganze Nachzudenken, bevor wir als letzten Ausflug Lommel besuchten. Eine wunderschöne Stadt durch dessen Passagen wir in Gruppen schlenderten. Wir fuhren wieder zurück und grillten dort. Es war unser letzter Abend und den genossen wir mit einem Spaziergang um den kompletten Friedhof und später mit Musik tanzend am Lagerfeuer.
Dann war es schon Freitag, unser letzter Tag in Lommel. Wir frühstückten nochmal gemeinsam und fuhren dann los. Auf dem Weg nach Hause hielten wir kurz an einer Apotheke an, um für die Einreise Corona Tests zu machen. Dann fuhren wir weiter. Viele schliefen erschöpft, einige unterhielten sich und andere saßen da und dachten einfach über all diese Erfahrungen nach.
Zusammenfassend kann man sagen, es war eine unglaubliche Zeit, die viel zu schnell vorbei ging. Wir haben gelacht und gelernt – waren mal laut am Tanzen und mal leise am Zuhören. Schöner hätte diese Zeit nicht sein können.
Danke an unsere Klasse und unsere Lehrer, die diese tolle Reise möglich gemacht haben!“
Für Freitag, den 24. September, hat die Organisation „Fridays for future“ angesichts des drohenden politischen Versagens in der Bekämpfung des Klimawandels abermals zu einem globalen Klimastreik aufgerufen. Weltweit waren tausende Menschen aller Generationen auf den Straßen, um Politik, Wirtschaft und Gesellschaft daran zu erinnern, dass das verabredete 1,5°C-Ziel noch erreicht werden kann – aber nur dann, wenn von den Verantwortlichen endlich echte Veränderung herbeigeführt wird.
Das Ratsgymnasium, weder Schüler*innen noch Kollegium, darf zwar als politisch neutrale Institution nicht streiken, war aber stattdessen informierend mit einem „Projekttag Klima“ dabei. In Gruppen wurde den ganzen Tag am Thema gearbeit und diese inhaltliche Auseinandersetzung auch sichtbar nach außen getragen: Auf spannenden Spaziergängen rund um die Schule konnten die Schüler*innen auf dem Weg an verschiedenen Stationen beispielsweise Gegenstände mit Hinweisen und Informationen zu deren Ökobilanz und zu denkbaren Alternativenvorfinden oder sogar mit verschiedenen Expert*innen ins Gespräch kommen:
Der Jahrgang 5 traf im Kreishaus Anja Schulenberg vom Umweltbilungszentrumzu einem Expertinnengespräch, für die Klassen des Jahrgangs 6 stand indes eine Führung durch die Kläranlage auf dem Programm. Auf dem seinem Weg durch die Rotenburger Innenstadt konnte der 7. Jahrgang coronakonform beim Unverpacktladen „Ein Stück vom Glück“ vorbeischauen, am Kreishaus wartete Förster Frederic Bühsing auf die Schülerinnen und Schüler des 9. Jahrgangs. Die Klassen des 10. Jahrgangs machten auf ihrem Klimaspaziergang einen ersten Stopp bei den Stadtwerkenam Mittelweg, um dann über den Stadtteil Imkersfeld zum Weichelsee zu gelangen. Die Spaziergänge waren auf zwei bis zweieinhalb Stunden angelegt, die jeweiligen Gruppen brachen morgens zeitversetzt vom Ratsgymnasium Rotenburg auf. Auf den verschiedenen Routen gab es zusätzlich verschiedene Klima-Stationen, an denen ökologisch problematische Alltagsgegenstände wie Badelatschen oder Plastiktüten zusammen mit einer jeweiligen Infokarte als Gesprächsanlässe ausgestellt waren. Auch auf die große Klimademonstration nach Bremen schafften es Schüler*innen des 12. Jahrgangs.
So sollten Ideen und Erfahrungen gesammelt werden, wie wir alle unseren Alltag klimafreundlicher gestalten können, gleichzeitig werden die gemeinsamen Erfahrungen des Tages sicher auch das Klassen- und Schulklima positiv beeinflussen.
Antje Gortmann (Fachobfrau Politik), unterstützt von Sabine Neugebauer, maßgeblich verantwortlich für die Organisation der Klimaspaziergänge, war dann auch spürbar zufrieden mit dem Tag, der zwar anstrengen, aber ergebnisreich war.
Am 13. Juli 2021 konnten nach langem Warten endlich Hauptpreis und Urkunden des Wettbewerbs für demokratisches Engagement, ausgerichtet mit Unterstützung des Fördervereins der Cohn-Scheune e.V. in Rotenburg, an die auszuzeichnenden Schülerinnen und Schüler am Ratsgymnasium übergeben werden. Der von der Schulbibliothek des Ratsgymnasiums initiierte Wettbewerb fand anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar statt.
Da die pandemiebedingten Schulschließungen die vorgesehenen Gedenkformate nicht zuließen, konnte mit freundlicher Unterstützung der Leiterin des Jüdischen Museums in Rotenburg, Prof. Inge Hansen-Schaberg, der Gedenktag dennoch in digitaler Form stattfinden. Der damit verbundene Wettbewerb richtete sich anhand konkreter antisemitischer Vorfälle, beispielsweise einer antisemitischen Zeichnung im Schulheft eines jüdischen Mädchens, an Schülerinnen und Schüler des 8. Jahrgangs. Ihre Aufgabe war es, möglichst einfühlsame und effektive Reaktionen auf solche oder ähnliche Situationen zu entwickeln, die der betroffenen Schülerin in oder nach der Situation hätten helfen können. Als Abgabeformate waren beispielsweise Fotostory, ein Drehbuch für ein Rollenspiel, ein Podcast, eine Zeichnung oder ein Comic möglich. Entsprechend vielfältig und spannend waren die über 100 eingegangenen Beiträge.
Emma June Greßmann aus der 8L hat schließlich mit einem aufwändig produzierten Video die Jury besonders davon überzeugen können, dass die von ihr inszenierten Handlungsmöglichkeiten eine effektive Reaktion auf antisemitische Handlungen darstellen: Zivilcourage, die Einbindung von Erziehungsverantwortlichen, von Lehrkräften und Schulleitung, standen bei Emmas Ansatz im Mittelpunkt.
Eine Fotostory, eine Zeichnung und ein Comic gehören zu den weiteren preiswürdigen Beiträgen gegen Antisemitismus: Mariella Wilzer und Letizia Gerla aus der 8K konnten den 2., Hannes Busse und Bastian Emshoff aus der 8L den 3., Johannes Heilscher (8P2) den 4. Platz, Jenna Sophie Behrens (8P2) und Finni Lotte Kuhlke (8L) den 5. und Nike Westermann (8L) den 6. Platz erreichen.
Während der Preisverleihung, coronabedingt ohne Publikum in der Aula des Ratsgymnasiums, fand nicht nur Schulleiterin Iris Rehder lobende Worte, auch die den Wettbewerb und die Schülerinnen und Schüler begleitende Lehrkraft Dr. Corinna Barholdt war sichtlich beeindruckt von den Leistungen. In einer eine Videobotschaft gratulierte schließlich auch Prof. Inge Hansen-Schaberg und würdigte das besondere Engagement der Preisträgerinnen und Preisträger. Sie wiederholte bei dieser Gelegenheit auch ihre Zusage, die prämierten Arbeiten in der Cohn-Scheune einem breiteren Publikum präsentieren zu wollen.
Genau am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, hat die Klasse 10PF gemeinsam mit ihrer Französisch-Lehrerin Frauke Brieger die Gastschülerin Loïsse Babin mit Geschenken, kleinen Reden auf Französisch und Deutsch und einem französischen Buffet verabschiedet. Die Mitschüler betonten in ihren Abschiedsworten, dass sie die Französin nur sehr ungern wieder in die Heimat zurückkehren ließen und wie sehr diese in den letzten Wochen ihre Deutschkenntnisse verbessert habe.
Die Französisch-Fachgruppe am Ratsgymnasium war glücklich, den Lerngruppen eine „waschechte Französin“ vorstellen zu können, die den Schülerinnen und Schülern von ihrem Leben in Caen in der Normandie berichtete – und dabei mit ihrem Akzent und ihrer freundlichen Art in der norddeutschen Tiefebene erfolgreich ihren französischen Charme versprühte.
Loïsse verlässt das Ratsgymnasium nach einem dreimonatigen Austausch, der durch das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) organisiert wurde, das französischen und deutschen Schülern unkompliziert und kostengünstig einen Aufenthalt im jeweiligen Nachbarland ermöglicht.
Im neuen Schuljahr wird Loïsses Austauschpartnerin Merle Damerow ihrerseits im Rahmen des Brigitte-Sauzay-Programms für drei Monate nach Frankreich reisen. Das deutsch-französische Tandem hat sich bereits in Rotenburg bestens verstanden und freut sich schon jetzt auf ein Wiedersehen in der Normandie. Da könnte man doch glatt Lust verspüren, es den beiden gleich zu tun…
Wir wünschen Loïsse und Merle alles Gute und „Bonne chance!“
Im Sommer 2019 hat Aaron Kruse das Ratsgymnasium mit dem Abitur in der Hand verlassen, im Spätsommer 2020 ist er wieder da, allerdings unter ganz anderen Vorzeichen. Nach der Schule hatte sich der Rotenburger in das mehr als 8.000 Kilometer entfernte Wenxian in Zentralchina aufgemacht, um dort an der No. 1 Senior High School als „Oral English Teacher“ zu unterrichten.
„Ich war in Englisch nicht unbedingt der Beste, in der Schule hat’s für eine ordentliche Note gereicht – aber dort war ich überragend,“ eine schmunzelnd vorgetragene Erkenntnis, die unter den anwesenden Schülerinnen und Schülern des versammelten 11. Jahrgangs in der Aula an der Gerberstraße einige Heiterkeit auslöst.
Auf seinen Einsatzort, eine Schule mit ca. 2.000 Lernenden der Jahrgangsstufen 10-13 im mit 80.000 Einwohnern für chinesische Begriffe eher als Kleinstadt zu bezeichnende Wenxian, wurde er im Rahmen von Seminaren und Sprachkursen mit anderen Freiwilligen vorbereitet. Dennoch hielten die Arbeit und das Leben in der als Internat geführten Schule so manche Überraschung für ihn, aber auch die vernehmlich beeindruckten Zuhörer, bereit: Unterrichtsbeginn um 7:00 Uhr, Ende der letzten Stunde um 22:30 Uhr? Unvorstellbar für das Publikum. Auch andere Ausführungen überraschten: „Das Schulgebäude ist zwar erst fünf Jahre alt, sieht aber deutlich schlechter aus als das Ratsgymnasium – in China wird dann lieber gleich neu gebaut, als zu unterhalten und zu renovieren,“ so Kruse.
Ein ursprünglich für die Familie in der Heimat zu Weihnachten angefertigtes Video zeigt einen typischen Tagesablauf an der No. 1 Senior High School und gewährt so auch dem Publikum Einblicke in Leben und Arbeit vor Ort. Eiserne Disziplin und Strenge beim Lernen, Unterricht lediglich als Lehrervortrag, absoluter Gehorsam geben Einblicke in eine ganz andere Schule, als sie die Zuhörerschaft aus ihrem eigenen Alltag kennt. Der von den chinesischen Kollegen als Geschenk an Aaron Kruse überreichte, hübsch verzierte Prügelstock führt dann auch noch eine ganz andere Seite des Gesellschaftsverständnisses vor Augen.
Besonders spannend sind für Schülerinnen und Schüler aber die humorig und unterhaltsam vorgetragenen Anekdoten und Alltagsepisoden, mit denen der ehemalige Ratsgymnasiast auch andere Aspekte seiner Zeit im Reich der Mitte beschreibt. Denn neben der Arbeit in der Schule gab es auch Gelegenheiten für Reisen und Ausflüge an die Große Mauer oder nach Peking. Als dann in Wuhan das Coronavirus zu wüten begann, fand das Abenteuer leider ein vorzeitiges Ende.
Dennoch: Man merkt Aaron Kruse die Freude über die gewonnene Erfahrung deutlich an, aber auch den zu Recht empfundenen Stolz darauf, den Mut zu diesem großen Schritt gefasst und das Jahr erfolgreich bewältigt zu haben. Einiges dieses Gefühls dürfte auch auf sein Publikum übergesprungen sein…
Im Rahmen des Kunstunterrichtes besuchte die Klasse 9Pf mit 16 Schülerinnen und Schülern die von der Cohn-Scheune organisierte Ausstellung „Am Ende des Tunnels“. Die begleitende Lehrkraft Sabine Neugebauer berichtet:
Steht man vor der Stadtkirche in Rotenburg, so fallen dem Betrachter sofort drei mittelhohe Litfaßsäulen ins Auge. Aufgedruckte Texte, die mit Zeitungsmeldungen in Verbindung gebracht werden, Bilder, die nicht an Werbung erinnern – Ungewohntes.
Inge Hansen-Schaberg, Vorsitzende des Fördervereins Cohn-Scheune e.V. hat die Säulen, die von August bis Oktober 2019 in Berlin vor dem Bahnhof Charlottenburg zu sehen waren, bis zum 30. September nach Rotenburg geholt. Sie gab uns Besuchern eine kurze Einführung in die geschichtlichen Zusammenhängen der sogenannten Kindertransporte – ca. 10.000 jüdische Kinder und Jugendliche aus Deutschland, Österreich, Polen und der Tschechoslowakei wurden in den Jahren 1938 und 1939 vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten gerettet, u.a. in Zügen, die von Berlin Charlottenburg abfuhren. Hansen-Schaberg verwies dabei auch auf die benachbarte Cohn-Scheune und ihre lokalen Bezüge.
Gegenwärtig setzen sich einige der damals geretteten Kinder, heute oftmals Personen des öffentlichen Lebens, in der aktuellen Flüchtlingskrise für eine Neuauflage der rettenden „Kindertransporte“ für Minderjährige aus syrischen Bürgerkriegsregionen ein. Die 16 Schülerinnen und Schüler der 9 PF befassten sich mit großer Aufmerksamkeit mit den ausgestellten Berichten und Fotografien.
„Geschichte im öffentlichen Raum“ – dies war auch Thema der sich anschließenden Auseinandersetzung mit weiteren Formen bildnerischer Gestaltung. So diskutierten die Schülerinnen und Schüler beispielsweise über das vor wenigen Tagen in der Mannheimer Innenstadt aus den Händen des Street-Art-Duos Herakut entstandene Wandgemälde „Gegen das Vergessen“, welches sich auf das Projekt von Luigi Toscano, der seit 2014 um die Welt reist und Holocaust-Überlebende als Zeitzeugen porträtiert, bezieht.
Das ungewöhnliche Ausstellungsformat weckte die Neugierde der Besucher vom RGR, Bezüge zu aktuellen Problemen und Debatten wie der Flüchtlingskrise entstanden – aber auch Erinnerungen an Familienerzählungen und -geschichten der eigenen Vorfahren wurden zu geteilten Beiträgen. So fühlten sich am Ende alle bereichert durch die zu diesem komplexen Themenbereich gebotenen Anregungen.
Großen Dank an den Förderverein der Cohn-Scheune für diese spannenden Impulse, die in der Auseinandersetzung mit Bild und Text im öffentlichen Raum entstehen konnten.
Gemeinsam mit Ihrer Lehrerin Bianca Baecker waren Marie Sophie Kehrstephan, Hanna Cohrs und Ben Heckmann aus der Klasse 10PF des Ratsgymnasiums Gäste der aufgrund der Coronakrise verschobenen Gedenkfeier zum 29. April, dem Tag der Befreiung des Lagers. Nach einleitenden Worten von Dr. Lars Hellwinkel, dem leitenden Pädagogen der Gedenkstätte Lager Sandbostel sowie von Bürgermeister Andreas Weber richteten sie ein Grußwort der Klasse 10Pf und des gesamten Ratsgymnasiums an die Toten und die Lebenden, in dem sie darlegten, warum die Erinnerung an die Opfer des KZ-Systems in Rotenburg auch 75 Jahre nach ihrem Tod wichtig ist.
Andreas Weber und Dr. Lars Hellwinkel legten am Gedenkort einen Kranz nieder. Beinahe 20 bewegte und bewegende Minuten dauerte es anschließend, die Namen der erst befreiten und dann verstorbenen KZ-Häftlinge zu verlesen. Daran wurde deutlich, wie viele Menschen in Unterstedt in der Zeit bis zum 5. Juli 1945, also noch 9 Wochen nach der Befreiung, noch täglich an den Folgen der Bedingungen im Lager Sandbostel starben. Zwar Sie hatteb sie die Befreiung des Lagers am 29. April 1945 erlebt, konnten ihr Leben aber nicht fortführen, da sie begünstigt durch die menschenunwürdigen Bedingungen im Lager unter der Naziherrschaft an Typhus erkrankt waren und ihnen nach der Befreiung trotz Einlieferung in das britische Militärkrankenhaus in Rotenburg-Unterstedt nicht geholfen werden konnte.
Marie Kehrstephan spielte zum Abschluss der Gedenkveranstaltung zu Ehren der Toten eine musikalische Erinnerung auf der Klarinette.
„Wo kommen eigentlich unsere Heimbeschulungsaufgaben her?“ – mancher Schüler und manche Schülerin mag sich diese Frage ab und zu stellen. Die folgenden Bilder geben Euch Antwort, wo Eure Lehrerinnen und Lehrer während der Coronakrise so Ihre Arbeit verrichten…
BONUS: Erste Videokonferenz am RGR als historisches Bilddokument
Hier kann man recht eindrucksvoll sehen, was passiert, wenn Lehrer neue Technik ausprobieren. Wenn jemand von denen Euch das nächste Mal sagt, Ihr sollt keinen Quatsch machen…
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