Friedensdienst auf dem Golm (Usedom)

Im Oktober 2025 stand für den 10. Jahrgang die Kursfahrt nach Garz auf Usedom zur Kriegsgräberstätte „Auf dem Golm“ an. Am Montagmorgen um 7:30 Uhr versammelten sich die Schülerinnen und Schüler mit großer Vorfreude an der Bushaltestelle in der Gerberstraße. Kurz vor acht kam dann der Reisebus und zunächst wurden alle Koffer eingeladen. Wenig später startete die etwa sechs Stunden lange Fahrt. Es wurde viel geschlafen, gelacht und geredet.

Nach der Ankunft gegen 14:15 Uhr wurden die Zimmer verteilt. Danach hatten alle Freizeit. Manche richteten sich gemütlich ein, andere zog es direkt ans Wasser. Leider spielte das Wetter an einigen Tagen nicht mit. Es regnete viel, sodass wir nach einem Spaziergang am Strand ziemlich nass zurückkehrten. Nach dem Abendessen trafen sich viele, wie fast jeden Abend im Gemeinschaftsraum. Dort wurde begeistert Tischtennis, Airhockey und Tischkicker gespielt.

Am Dienstag stand ein kurzer Polnischkurs auf dem Programm, bei dem wir uns auf die spätere Stadtrallye in Swinemünde vorbereiteten. Nach der Stadtralley gingen wir alle zusammen an den Strand. Von dort aus erkundeten die Schülerinnen und Schüler dann noch eigenständig Swinemünde.

Am Mittwoch mussten wir früh aufstehen. Es ging ins Historisch-Technische Museum nach Peenemünde. Während einer spannenden einstündigen Führung erfuhren wir viel über den Raketenbau im Nationalsozialismus und weitere geschichtliche Hintergründe. Im Anschluss fuhren wir weiter nach Heringsdorf. Dort besichtigten wir zunächst die Kaiserbäder und erkundeten anschließend in kleinen Gruppen die Promenade mit ihren vielen Souvenirständen. Einige kauften dort auch Mitbringsel für Familie und Freunde. Nach einem langen Tag wartete der Bus in Ahlbeck auf uns, um uns zurück zur Jugendbegegnungsstätte zu bringen. Am Abend fand im Gemeinschaftsraum ein Tischtennisturnier mit Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften statt. Viele kamen zum Zuschauen oder Mitspielen. Es war ziemlich spannend und lustig.

Am Donnerstag stand die Einführung über den Golm an. Anschließend besuchten wir die Kriegsgräberstätte, die nur etwa sieben Minuten Fußweg entfernt lag. In Kleingruppen bearbeiteten wir Aufgaben und erkundeten die Stätte eigenständig. Dabei arbeiteten wir auch mit Zeitzeugenberichten und einer Ausstellung vor Ort. Nach dem Mittagessen und einer kurzen Pause folgte das Vertiefungsmodul „Jugend im Sozialismus“, in dem wir viele neue Informationen erhielten. Am letzten Abend hieß es dann: Koffer packen!

Am Freitagmorgen wurden sie schon früh in den Bus geladen. Danach war aufräumen, frühstücken und abfahren angesagt. Pünktlich um 9 Uhr traten wir die Heimreise an. Eine spannende und schöne Fahrt ging zu Ende und es hieß Abschied nehmen. Am Nachmittag kamen wir wieder in Rotenburg an, wo uns die Eltern der Schülerinnen und Schüler schon erwarteten.

Umbruch bei der Friedensfahrt des Ratsgymnasiums

Seit dem Jahr 1989 fuhren alljährlich 9. und später 10. Klassen auf Friedensfahrt ins belgische Lommel. Die Schüler setzten sich hier auf vielfältige Weise mit den schrecklichen Folgen des Krieges auseinander und sammelten wichtige Erfahrungen. In diesem September fuhren nun vorläufig zum letzten Mal vier 10. Klassen des Ratsgymnasiums nach Lommel, da die Jugendbegegnungsstätte wegen Umbau geschlossen wird.

Für die Schüler*innen der Klassen 10m und 10a waren es intensive neue Erfahrungen. Sie verbrachten 5 Wochentage am Rande eines der größten Kriegsgräberfelder Westeuropas. Von ihren Herbergsfenstern in der Jugendbegegnungsstätte Lommel hat man den Blick über zehntausende von Gräbern deutscher Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg auf dem Territorium Belgiens gefallen waren.

Die Auseinandersetzung mit diesen Schicksalen macht einen wesentlichen Teil der Friedensfahrt nach Lommel aus. Die Schüler*innen widmeten sich neben der Grabpflege einem Projekt, bei dem sie sich in die Biographie einzelner dort beerdigter Soldaten einarbeiteten. Menschliche Persönlichkeiten und Familiengeschichten wurden sichtbar, die jäh durch den Kriegstod unterbrochen worden waren.

Ein weiterer wichtiger Programmpunkt der Lommelfahrt ist seit vielen Jahr der Besuch des Internierungslagers Breendonk. Die Schüler*innen erlebten in den originalen Räumlichkeiten, wie die Gegner des Nationalsozialismus sowie jüdische Häftlinge brutal zusammengepfercht, gequält und durch Arbeit getötet worden waren.

Das Ratsgymnasium wird aber in jedem Fall an der Tradition der Friedensfahrt festhalten. Für das nächste Jahr laufen bereits die Planungen, eine andere Jugendbegegnungsstätte des Volksbundes zu besuchen. Die Fahrt wird zur Jugendbegegnungsstätte Golm auf der Insel Usedom gehen.

Zeitzeugen-Interview mit Kurt Palis am Ratsgymnasium

„Ich erzähle euch das, damit ihr wisst, dass heute noch Menschen leben, die in einer ganz anderen Welt aufgewachsen sind, als ihr sie kennt.“

Am Mittwoch, dem 15.3.2023, stand am Ratsgymnasium Rotenburg der ehemalige Bundestagsabgeordnete Kurt Palis (SPD) den Schülerinnen und Schülern der 10 L sowie den Geschichtskursen von Ilka Senftleben und Fridolin Eggers Rede und Antwort.

Kurt Palis, Jahrgang 1937, spannte einen Bogen von den bescheidenen Verhältnissen seiner Kindheit als Sohn eines Landarbeiters im alten Ostpreußen über die Ereignisse der dramatischen Flucht bis nach Schleswig-Holstein, die er als Siebenjähriger auf einem Leiterwagen überlebte und in bewegenden Worten schilderte, bis hin zu seiner Arbeit als Bundestagsabgeordneter (1993-2002) und als Mitglied im Verteidigungsausschuss, wodurch er die aktuellen Ereignisse des Ukraine-Kriegs aus einer dezidiert politischen Innensicht erläutern konnte.

Den Schülerinnen und Schülern gab er einen äußerst lebendigen Einblick in eine Zeit, die für viele längst vergangen schien. Eine Zeit gleichwohl, die uns nun im Zuge von Krieg, Flucht und Vertreibung im Osten Europas bedauerlicherweise wieder ganz nah ins Bewusstsein rückt und unvermutete Bezüge aufweist. Kurt Palis tut dies als ein Zeitzeuge, der bis in die feingliedrigen Verästelungen eines schon beinahe „proust-artigen“ Rückerinnerns (z. B. in der Beschreibung des seltenen Vergnügens eines Brausepulvers mit Waldmeistergeschmack) eine Kindheit und Jugend aufschlüsselt, die ganz andere Voraussetzungen, Herausforderungen, ja Gefahren aufwies als heute, in ihrem Kern jedoch auch eine große Parallele aufweist: eine Jugend im Zeitalter der Krisen.

„Aber lasst euch von diesen Krisen nicht verunsichern. Solange wir im Frieden leben, werden wir sie gemeinsam alle meistern können, da könnt ihr sicher sein“, so der 85-Jährige ermutigend.

Vielleicht sind es solche Schlussworte, die Zeitzeugenberichte wie den von Kurt Palis für die Schülerinnen und Schüler so eindrucksvoll, ja so gegenwärtig machen und uns allen, die wir den letzten lebenden Zeugen von NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg noch zuzuhören gewillt sind, ein selten gewordenes Gut zu geben vermag: Hoffnung.

Text: Fridolin Eggers

"Kurt Palis erzählt" - Dokumentation der Film-AG

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