Unter diesem Motto fanden sich am letzten Montag etliche Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 5 bis 8 in der Bibliothek des Ratsgymnasiums zusammen, um mal wieder „platt zu snacken“. Dabei galt es zu klären, bei wem das Platt so gut vorgetragen wird, dass es zum Schulsieg reicht. Dieser vom Landschaftsverband Stade initiierte und von den Sparkassen Elbe/Weser unterstützte Lesewettbewerb will die Freude am plattdeutschen Lesen und an der niederdeutschen Sprache wecken – und das nun schon zum 22. Mal in Folge.
Aber wer spricht heute noch Platt, einen Dialekt, der meist nur noch von den Großeltern gesprochen, vielleicht gerade noch von den Eltern verstanden wird? Erstaunlich also, dass es doch noch Jugendliche und Kinder gibt, die diesen Dialekt verstehen und sprechen und sich hier getraut haben, ihr Können unter Beweis zu stellen. Dazu mussten die TeilnehmerInnen eigene plattdeutsche Texte mitbringen und in einem fünfminütigen Lesevortrag zeigen, „wat sei künnt“.
Konzentriert und ein wenig angespannt saßen die Kinder in der Schülerbibliothek des Ratsgymnasiums und warteten darauf, dass sie an der Reihe waren. Zum Glück durften Freunde und Freundinnen aus der Klasse zur Unterstützung dabei sein. Hatten sich die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler jeweils schon in ihrer Klasse den Sieg geholt, so galt es nun erneut, mit dem richtigen Lesetempo, der treffenden Betonung sowie Mimik und Gestik die Zuhörerschaft in die plattdeutsche Welt mitzunehmen. So gab es dann so manches Schmunzeln und Lachen bei der Zuhörerschaft, wenn von „dicken, fetten Pannkoken, die kan tapper, kan tapper in’d Holt löppt“ gesprochen wurde.
Ursprünglich war es gerade Plattdeutsch, welches als allgemein verständliche Sprache im Gegensatz zur lateinischen Gelehrtensprache im 16. Jahrhundert seine Verbreitung fand, war sie doch im Mittelalter der Hanse eine geschätzte und über Grenzen hinweg genutzte Sprache und auf dem Weg, eine eigenständige Standardsprache, ähnlich dem Niederländischen, zu werden. So bedeutet die Bezeichnung „platt“ eben so viel wie „verständlich“, „deutlich“, aber auch „vertraut“. Mit dem Niedergang der Hanse brach aber auch der Stellenwert des Plattdeutschen als Verkehrs- und Handelssprache langsam in sich zusammen erlitt einen schleichenden Prestigeverlust. Das Wort „Platt“ bekam einen eher negativen Beigeschmack und wurde vielfach fälschlicherweise als „sozial niedrig“ oder „intellektuell niedrig“ missdeutet. So wurde denn „Plattdüütsch“ zunehmend zur Alltagssprache der ländlichen, wenig gebildeten Bevölkerung.
Dabei wird am Plattdeutschen deutlich sichtbar, welche soziale Rolle Dialekte früher, aber eben auch heute noch spielen. Schließlich spricht man sie dort, wo man sich zuhause fühlt, wo das Gefühl von Heimat empfunden wird: in der Familie, bei den Eltern und Großeltern. „Meine Oma und mein Opa sprechen platt mit mir“ sind dann eben auch genau die Berührungspunkte der Kinder und Jugendlichen des Vorlesewettbewerbs mit dieser Mundart.
Für die aus den Deutsch-Lehrkräften gebildete Jury war es nach tollen Lesungen gar nicht leicht, die Entscheidung über den Schulsieg zu treffen, hatten sich doch alle TeilnehmerInnen mehr als „goat“ präsentiert. Die Kollegin Sigrid Baden-Schirmer war als Jurymitglied dabei zwar fachfremd, aber als plattdeutsche Muttersprachlerin eine hilfreiche Unterstützung. So fiel schließlich die Wahl auf Caja Jacobs (für den 5./6. Jahrgang) und ihren Bruder Hendrik (7./8. Jahrgang), die vor allem durch ihre engagierte Leseweise letztendlich überzeugten – die Frage, ob sie als Geschwister miteinander wohl auch immer Platt „snacken“, mussten Sie allerdings verneinen…
Bis zum Regionalwettbewerb Anfang Mai in Scheeßel ist ja noch etwas Zeit, bis dahin heißt es dann für die Geschwister Jacobs: „Ornlich platt snacken!“